Seit die Startplatzvergabe für den Berlin Marathon ausgelost wird habe ich Pech gehabt. Glücklicherweise konnte ich kürzlich noch einen Freistart für das Wobenzym Plus Sportteam gewinnen. So stand meinem dritten Berlin Marathon nichts mehr im Wege.
Nach dem gestrigen Frühstückslauf und dem Besuch der Berlin-Vital machte ich noch ein Sightseeing der anderen Art. Zunächst schaute ich bei der „Alten Försterei“ vorbei, wo Union Berlin gegen den Tabellenletzten MSV Duisburg 3:2 gewann. Es war ein tolles, spannendes Spiel. Nur das Parkticket war sehr teuer. Anschließend schaute ich bei Berlin Burger International auf einen Dreikäsehoch vorbei. Frisch gestärkt schaute ich mir noch das „Blub“ an. Nach einer Runde verfahren mit den Öffis fiel ich viel zu spät ins Bett meiner Unterkunft in der Rixdorfer Straße.
Die Nacht konnte ich nicht gut schlafen. Seit zwei Tagen hatte ich Halsschmerzen und Lust zum Aufstehen hatte ich auch nicht. Aber was muss, das muss. Und so machte ich mich viel zu spät auf Richtung Reichstag.
Das späte Erscheinen vor Ort ersparte mir viel Ansteherei. Mal im Ernst, nächstes Mal komm ich auch erst wieder so spät. Das fand ich viel Entspannter.
Pünktlich betrat ich Startblock G, den letzten der zweiten Welle. Mein Traum war schneller als in Hamburg zu laufen. Also würden sich die 4:30er Pacemaker gut für mich machen. Die Form für die Zeit müsste ich eigentlich haben. Mein Einziges Problem war nun, das hier keine 4:30er waren. Nur für 4:00 und 4:15. Beides zu schnell für mich. Spontan entschied ich mich um, mich an die 4:15er zu halten und zu gucken was geht. Nur starteten die noch gar nicht. Die warteten auf den ersten Block der dritten Welle. Ok, also wartete ich auch. So kam es, dass ich in der ersten Reihe stand. Auf meinem Platz startete vor wenigen Minuten Geoffrey Mutai. Nun stand ich hier. Hier vorne kriegte man die Startprozedur viel bewusster mit. Der Adrenalinspiegel stieg mit dem Countdown an. Uta Pippig gab den Startschuss. Los! Zwei Läufer zogen zügig an mir vorbei. Im Bruchteil einer Sekunde fand eine innerliche Diskussion mit mir selber statt. Das Resultat war alle Planungen über Bord zu werfen. Ich drehte das Dampfrad voll auf. Scheiße, waren die schnell. Für wenige Meter schaffte ich es die Führung zu übernehmen. Ein kleiner Moment, der mir wie eine Ewigkeit vorkam. Ein Moment, den mir keiner nehmen kann, ganz egal was noch passiert. Ein Moment, der mich prägen wird, das wusste ich jetzt schon. Niemand vor mir, nur Zuschauer, Kameras und die Siegessäule. Hinter mir über 10.000 Läufer. Für diesen Moment musste ich mehr als voll aufdrehen. Mir war bewusst das ich grade alles auf Spiel setzte, aber das war es wert. Mir tat alles weh, oh ja. Hätte ich jetzt vor Schmerzen abbrechen müssen, es wäre mir egal gewesen. Dieser unsterbliche Moment war der Wahnsinn. Aber ich hörte nicht auf. Es waren nur noch gut 42 km zu laufen. Die Endorphinausschüttung linderte meine Schmerzen. Runners High zum Beginn eines Marathons. Wie geil ist das denn?
Ich erreichte noch als einer der ersten zehn Läufer die Siegessäule, dann wurde ich mehr und mehr überholt. Ich erwartete einen derben Einbruch. Er blieb aber aus. Klar, natürlich wurde ich langsamer. Aber ich lief schneller als ich es mir erträumt hatte. Ich rannte mich in einen Rausch. Ich lief an den vielen, tollen Bands und Balkonpartys vorbei, klatschte unzählige Kinderhände ab. Die Stimmung sog ich voll auf. Wenn es doch mal anstrengender wurde dachte ich an den Start zurück, wie ich kurz das Feld anführen konnte. Das gab mir Kraft. Überhaupt war heute alles perfekt. Auch auf „Jan’s Drum Station“ war wieder Verlass. Bei km 30 spielte Jan seine Schlagzeugsolos. Seit 2008 ist er dabei. Ich bin jedes Mal begeistert.
Mit zunehmenden Kilometerstand wurde es voller auf der Strecke. Überholen wurde schwerer und ab und an spürte ich fremde Füße am Hacken. Glücklicherweise kam es zu keinem Sturz.
Irgendwo bei km 36 überholten mich die 4:15er Zugläufer. Unglaublich, damit hatte ich viel, viel eher gerechnet. Meine Jahresbestzeit war mir so gut wie sicher. Nun wollte ich wissen was geht. Ich lief auf einer gewissen Distanz den Ballons hinterher. Gut zwei km vorm Ziel konnte ich sie wieder überholen. Nur noch zwei Kilometer bis ins Ziel, auf gehts, kämpfen und siegen! Ich bog auf „Unter den Linden“ ein. Für den grandiosen Zieleinlauf standen die Zuschauer Spalier. Ich durchlief das Brandenburger Tor und zog nochmal an. Der Moderator ließ für einen kurzen Moment die Zuschauer schweigen. Man hörte nur noch das trappeln der Laufschuhe. Nach einem kurzen Moment ließ er die Stimmung explodieren. So einen genialen Zieleinlauf erlebt man auch nicht alle Tage. Ich zog nochmal an und beendete das Rennen in sensationellen 4:13:32. Eliud Kipchoge lief Jahresweltbestzeit mit verrutschten Innensohlen und ich lief meine zweitbeste Zeit überhaupt. Über eine halbe Stunde schneller als in Hamburg, 21 Sekunden schneller als Wilhelmshaven. Bedeutend mehr, als ich mir zu träumen erwagte. Im Ziel war ich den Tränen Nahe. Auch wenn es nicht mein schnellstes Rennen war, es war mein emotionalstes. Es war das (bisherige) Rennen meines Lebens!
Vielen Dank Wobenzym, ohne euch hätte ich dieses Rennen nicht laufen können.
Vielen Dank Berlin! Das war wieder weltklasse heute. Berlin, ick liebe dir!
Vielen Dank Karin und Michael für die Unterkunft und einfach alles!
Vielen Dank an meine Fans, ihr seid die Besten!
Und last but not least vielen Dank an meine beiden Mädels, die leider nur vorm Fernseher dabei sein konnten. Ich liebe euch!